Vertiefungen, Termine und das liebe Loslassen
Über gute Ideen, Launch-Müdigkeit und die Suche nach einem Format, das zu mir passt
Neulich habe ich in meinen alten Entwürfen gestöbert. Also so richtig alte. Die, die man irgendwann mit viel Herzblut anlegt, strukturiert, beschreibt – und dann doch nie so richtig veröffentlicht. Und da waren sie wieder: meine Vertiefungsmodule für Agile Coaches.
Ich hatte damals richtig Lust, diese Formate zu bauen. Themen, die mich bewegen und für die mir in der Zusammenarbeit mit anderen Coaches oft der Raum fehlt. Modelle in der Teamentwicklung zum Beispiel – jenseits von "Das ist Tuckman, Punkt." Sondern: Wie kann ich damit in echten Kontexten arbeiten? Oder Facilitation auf einem Level, wo es nicht nur um gute Flipcharts geht, sondern um echte Wirksamkeit. Konflikte, Auftragsklärung, Systemarbeit, Coachinghaltung – das ganze schöne Zeug, das oft zwischen Tür und Angel zu kurz kommt.
Ich habe Inhalte entwickelt, methodische Ideen gesammelt, mir Gruppensettings überlegt. Alles mit dem Gedanken im Hinterkopf: Wie können Coaches miteinander denken, voneinander lernen, sich spiegeln – ohne dass es ein Frontal-Weiterbildungsding wird?
Und dann? Dann ist nichts passiert.
Also doch: Ich habe Landingpages gebaut. Termine festgelegt. Ankündigungen formuliert. Aber am Ende haben sich entweder zu wenige angemeldet – oder ich habe es im Vorfeld nicht geschafft, die Energie hochzuhalten. Denn der Punkt ist: Diese Formate brauchen Gruppen. Und Gruppen brauchen Termine. Und Termine brauchen… na ja: Launches.
Und Launches machen mir keinen Spaß. Da ist diese paradoxe Mischung aus Hoffnung und Frust: Du steckst Arbeit in ein gutes Format, bist überzeugt von der Idee, hast vielleicht sogar schon erste Rückmeldungen – und dann heißt es: "Wenn sich bis Datum X nicht mindestens acht Leute anmelden, lohnt es sich nicht." Und das ist nicht mal finanziell gemeint, sondern energetisch. Die Erfahrung zeigt: Bei drei Personen ist es halt kein lebendiger Gruppenraum, sondern ein Einzelcoaching mit Publikum.
Und klar, ich könnte die Inhalte im 1:1 anbieten. Das tue ich ja auch teilweise. Viele dieser Themen tauchen in meinen Supervisionen oder Coachings auf. Und das funktioniert gut. Aber es ist nicht das, was ich mit diesen Modulen im Kopf hatte. Ich wollte kollektives Lernen. Reibung. Resonanz. Diese Momente, in denen sich Coaches gegenseitig anstupsen und gemeinsam wachsen – nicht nur durch meine Impulse, sondern durch das, was zwischen ihnen entsteht.
Im Einzelsetting fehlt genau das. Es ist fokussierter, tief, ja. Aber es ist eben kein Raum mit mehreren Perspektiven. Kein „Oh, so habe ich das noch nie gesehen“. Kein „Warte, lass uns da mal gemeinsam draufschauen“. Und genau das wollte ich.
Stattdessen stehe ich jetzt da mit einem Haufen guter Inhalte und keiner Struktur, die sich richtig anfühlt. Denn was wäre die Alternative? Selbstlernkurse? Videos? Ein Download-Paket mit Handout und Workbook? Klar, möglich ist das. Aber ich habe große Zweifel, dass es wirklich den Kern trifft. Die Qualität dieser Themen lebt vom Austausch. Von Co-Kreation. Vom Spüren, wo eine Gruppe gerade steht.
Und so merke ich gerade mal wieder, wie schwer es sein kann, als Selbstständige Angebote zu entwickeln, die nicht nur inhaltlich gut sind, sondern auch in ihrer Form zu einem passen. Ich kenne all die Theorien von Beta-Launch, Testballon, MVP und so weiter. Aber ich habe einfach keine Lust mehr, ständig Formate zu bewerben, bei denen ich im Hinterkopf habe: "Vielleicht sag ich’s eh wieder ab."
Ich glaube, das ist einer der leisen Frustmomente in der Selbstständigkeit, über die nicht so viel gesprochen wird. Nicht jeder gute Gedanke wird sofort ein tragfähiges Produkt. Nicht jedes Konzept passt zur eigenen Energie, zur Audience, zum Markt. Und manchmal heißt es dann: liegen lassen. Loslassen. Oder neu denken – auch wenn es schwerfällt.
Ich hab keine fertige Lösung. Nur diese diffuse Sehnsucht nach einem Format, das mehr im Fluss ist. Wo Menschen einsteigen können, wenn es für sie passt. Und wo trotzdem echter Austausch entsteht – nicht bloß Konsum. Vielleicht findet sich dafür irgendwann ein Rahmen. Vielleicht nicht.
Fürs Erste bleiben die Vertiefungsmodule also in der Schublade, weil mir die richtig gute Alternatividee zu starren Workshop-Terminen fehlt. Das ist okay. Auch wenn’s ein bisschen weh tut.