Und plötzlich steh ich vor der Kamera
War gar nicht so schlimm
Gestern war ich acht Stunden mit einem Fotografen unterwegs – ein kompletter Tag Fotoshooting. Mit Konzept, mit wechselnden Outfits, mit ernstem Blick und echtem Lachen, mit Laptop, Kaffee, Straßenhintergrund und Workshop-Raum. Also mit allem, was in meinem Arbeitsleben so vorkommt und durchaus geeignet ist, um mich authentisch darzustellen.
Ich selbst war in allen Varianten vertreten: konzentriert, locker, pseudo-nachdenklich – und natürlich auch mindestens einmal mit geschlossenen Augen auf dem vermeintlich besten Bild. Du kannst dir denken: Ja, es war anstrengend. Ja, es hat auch Spaß gemacht. Und ja, ich habe mich ungefähr 37-mal gefragt, ob meine Haare eigentlich ein Eigenleben führen. (Ja, tun sie.)
Was mich allerdings am meisten überrascht hat: Dass ich das wirklich gemacht habe. Ich. Ein ganzer Tag Fotoshooting.
Vier Jahre ohne – und jetzt auf einmal Businessfotos?
Ich bin jetzt seit vier Jahren selbstständig. Und ich habe es bis hierhin ganz gut ohne professionelle Bilder geschafft. Ein Selfie hier, ein halbwegs brauchbares Urlaubsbild mit Filter dort – fertig war mein Auftritt auf LinkedIn, auf der Website, im Profilbild für den nächsten Vortrag. Authentisch eben. Oder sagen wir: pragmatisch.
Denn ehrlich gesagt hatte ich lange das Gefühl, dass das reicht. Ich wollte ja kein gestyltes Hochglanz-Business-Ich präsentieren. Kein gestelltes Bild auf einer hippen Berliner Dachterrasse, auf dem ich bedeutsam in die Ferne blicke. Ich wollte einfach ich sein – sichtbar, aber nicht inszeniert. Und vor allem nicht überhöht. Denn das bin ich nicht. Ich bin Coach, ja – aber auch Mensch. Eher Sneakers als High Heels. Eher ehrlich als durchgeplant.
Und trotzdem stand ich gestern mit drei Oberteilen, einer Thermoskanne und einem Hauch Nervosität im Rucksack vor dem Fotografen – und ließ mich ablichten.
Warum also jetzt?
Ich glaube, irgendwann hat sich dieses diffuse „irgendwann mach ich das mal“ in ein klares „jetzt ist es soweit“ verwandelt. Nicht, weil ich plötzlich auf eine neue Website zusteuere oder mich auf Konferenzbühnen vermarkten will. Sondern weil ich gemerkt habe: Ich bin ohnehin dauernd sichtbar. In Workshops, in meinem Newsletter, auf LinkedIn, in Meetings, auf Konferenzen, in Kennenlerngesprächen mit potenziellen Kund:innen.
Und Sichtbarkeit fühlt sich inzwischen nicht mehr wie ein notwendiges Übel an, sondern wie ein fester Teil meines Arbeitsalltags. Ich habe gelernt, dass sie nicht zwangsläufig laut oder unangenehm sein muss. Sie darf ruhig sein. Klar. Und nahbar. Und genau das wollte ich auf diesen Bildern auch zeigen.
Vielleicht geht es also gar nicht so sehr ums Bild selbst – sondern vielmehr darum, dass ich mir inzwischen zutraue, auf diesem Bild sichtbar zu sein. Dass ich mich zeigen will, wie ich bin. Und dass ich gelernt habe, dass das in Ordnung ist.
Von „bitte nicht“ zu „war eigentlich ganz gut“
Wenn du mir im Frühjahr 2021 gesagt hättest, dass ich mal ein echtes Business-Shooting machen würde, ich hätte gelacht. Oder laut „auf keinen Fall“ gerufen. Damals war Sichtbarkeit für mich vor allem mit Überforderung verknüpft. Ich hatte das Gefühl, mich erklären zu müssen. Mich beweisen zu müssen. Und die Vorstellung, dabei auch noch zu sehen zu sein? Puh.
Heute denke ich: Joa, war gar nicht so schlimm. Vielleicht sogar ganz gut. Natürlich war da Lampenfieber. Und Unsicherheit. Aber eben auch Neugier. Und irgendwann sogar Spaß. Denn am Ende war es – wie so vieles in der Selbstständigkeit – einfach Arbeit. Neue, ungewohnte, aber machbare Arbeit.
Sichtbarkeit verändert sich
Was ich an diesem Tag gemerkt habe: Dieses Shooting war nicht nur ein äußerlicher, sondern auch ein innerlicher Schritt. Ich habe mich nicht nur fotografieren lassen, ich habe mich neu angeschaut. Mich als Selbstständige. Als Coach. Als Person, die diesen Job mit Haltung und Humor macht – und die sich zeigen darf. Nicht trotz, sondern wegen der eigenen Ecken und Kanten.
Ich glaube, das ist eine der unterschätzten Herausforderungen in der Selbstständigkeit: sich immer wieder selbst zu erlauben, weiterzudenken. Sich nicht in alten Bildern festzuhalten, sondern sich in neuen auch wiederzuerkennen. Und dabei nicht das Gefühl zu haben, sich zu verraten – sondern sich zu erweitern.
Und jetzt?
Ich weiß noch nicht, welches Bild nun letztlich für welchen Zweck eingesetzt wird. Das war ja auch ein bisschen die Idee: Viel Auswahl generieren, um quasi immer etwas passendes im Fundus zu haben.
Das Wichtigste ist sowieso erstmal: Ich hab’s gemacht. Ich bin einen Schritt gegangen, den ich lange aufgeschoben habe. Nicht, weil ich es plötzlich „musste“, sondern weil ich es konnte. Weil ich soweit war.
Und vielleicht ist genau das mein größtes Learning aus diesem Tag: Viele Dinge, die wir lange vor uns herschieben, verlieren ihren Schrecken in dem Moment, in dem wir sie einfach tun. Nicht, weil sie leichter geworden sind – sondern weil wir gewachsen sind.