Book Notes: Antipatterns in Retrospektiven

Wenn Retros mal nicht so laufen

Retrospektiven sind ein strukturiertes Lernformat für Teams. Sie zielen darauf ab, dass sich Teams bewusst die Zeit nehmen die bisherige Zusammenarbeit und Vorgehensweise zu betrachten, zu reflektieren und aus ihren Erfahrungen zu lernen, in dem sie Maßnahmen und Vereinbarungen ableiten.

Im Buch "Antipatterns in Retrospektiven" beschreibt die Autorin Aino Vonge Corry Fehler, die sie als Moderatorin von Retros selbstbegangen hat und Symptome, die in Retrospektiven auftreten können. Natürlich liefert sie auch Handlungsalternativen und Möglichkeiten, ineffiziente und festgefahrene Retros zurück in hilfreiche Meetings zu verwandeln. Übersetzt wurde das Buch von Daniela Schubert.

Aufbau und Struktur

Die Antipatterns bzw. Symptome für/von ineffizienten Retrospektiven teilen sich im Buch in drei Kategorien: Strukturelle Antipatterns, operative Antipatterns und menschliche Antipatterns.

Die Bandbreite der Antipatterns reicht vom Ignorieren der obersten Direktive, über schlechte Zeitplanung bis hin zu "das Großmaul" - was, wenn jemand einfach immer redet? Dabei werden für alle Antipatterns Metakontext, Antipattern-Lösung, Konsequenzen, Symptome und Refactoring-Lösungen (also, wie kann man es besser machen) beschrieben. IMG_8611

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass alle Antipatterns durch eine Geschichte und eine persönliche Anekdote erweitert werden, die zumindest bei mir das eine oder andere Schmunzeln ausgelöst hat, weil ich während des Lesens dachte: "Oh ja, das kenne ich". Diese Erweiterung lockert das Buch zusätzlich auf.

Ich habe die deutsche Variante in der Übersetzung von Daniela Schubert gelesen und finde, dass die Übersetzung sehr gelungen ist.

Die Refactoring-Lösungen

Die Refactoring-Lösungen, also die Antworten zu der Frage: "Was kann ich denn tun, wenn das in unseren Retros passiert?" sind angenehm konkret beschrieben. Je nach Antipattern sind sie mehr oder weniger neu oder inspirierend, was aber sicherlich auch daran liegt, dass ich selbst seit über 10 Jahren Retrospektiven moderiere und so schon einiges selbst erlebt und ausprobiert habe. Trotz meiner Erfahrungen empfinde ich die vorgeschlagenen Anpassungen und Veränderungsmöglichkeiten als äußerst hilfreich. Denn, wie so oft, in der Arbeit mit Menschen und Teams, sieht man ja manchmal den Wald vor lauter Bäumen nicht mehr. IMG_8612

Besonders angenehm finde ich, dass Corry immer wieder darauf eingeht, dass es unterschiedliche Ursachen für Phänomene geben kann, so beschreibt sie, z.B. bei der Frage nach "Kamera an/aus", dass es einen Unterschied macht, ob jemand die Kamera aus hat, weil die Person die eigene Umgebung nicht zeigen möchte oder, weil die Person sich tatsächlich versucht eher aus der Retrospektive rauszuhalten. Die Art und Weise zeigt, dass Corry auch beim Schreiben des Buches die oberste Direktive immer im Kopf hatte.

Fazit: Empfehlung

Tatsächlich hat mich das Buch in Gänze sehr inspiriert und immer wieder zum Nachdenken gebracht. Es ist vor allem eines dieser Bücher, dass nicht nur einmalig gelesen wird. Stattdessen eignet es sich ausgezeichnet dafür es regelmäßig zur Reflexion in die Hand zu nehmen. Zum Einen, um neue Denk- und Lösungsansätze für ein Phänomen innerhalb eines Teams zu finden, zum Anderen aber auch, um sich bewusst zu machen, ob man vielleicht ein Phänomen gerade übersieht. Das ziellose Durchblättern kann dabei unterstützen, die eigenen Vorgehensweisen, Handlungen und die Haltung innerhalb der Retro-Moderation bewusst zu hinterfragen. Auch, wenn ihr schon eine vierstellige Anzahl an Retrospektiven durchgeführt habt, bin ich mir sicher, dass ihr aus diesem Buch noch etwas lernen könnt.

Aino Vonge Corry (2023) "Antipatterns in Retrospektiven" übersetzt von Daniela Schubert gibt's für 34,90 EUR im Buchhandel eurer Wahl. Hier bei Amazon (kein Affiliate).