Einmal in den Funnel, bitte

und schnell wieder zurück

Ich habe vor einer Weile auf Instagram von Hans und Hannelore erzählt. Genau genommen, hatte ich in meinen Storys darauf aufmerksam gemacht, dass mich (wieder einmal) ein Dude bei LinkedIn angeschrieben hat. Das Gespräch ging los, wie ein jedes solches Gespräch losgeht. Wohin ich denn wolle mit meinen Social Media Präsenzen, was denn wohl gerade meine größten Schwierigkeiten seien, man hätte da ja Tipps für mich. Entgegen meinem Standardimpuls: Ignorieren und ggf. Blocken, habe ich mich in diesem Fall mal auf das Gespräch eingelassen. Also nahmen mein kleines Experiment so seinen Lauf.

In diesem Fall habe ich also alle Fragen beantwortet, aber auch sehr klar gesagt: Klar, nehme ich Impulse. Aber, ich bin absolut nicht daran interessiert eine Dienstleistung zu kaufen. Mir wurde zugesichert, dass es darum ja gar nicht ginge. Trotzdem war die Art der Kommunikation absolut icky und quasi eine wandelnde Red Flag. Ein Schmankerl war, z.B. dass mir der Dude an einem Samstag um 19.30 Uhr eine Nachricht geschrieben hat, die ich erstmal ignoriert habe (für mich war Wochenende). Am Montag um 10.00 Uhr schob er eine Nachricht hinterher: "Hast du meine Nachricht bekommen?" - Meine kurze Antwort "Ja", war wohl nicht das was er hören wollte, weil er sofort nachsetzte: "Und wieso antwortest du dann nicht?" - daraufhin habe ich kurz und knapp gesagt: "Du hast am Samstag geschrieben, heute ist Montag. Deshalb." Innerlich ist in dem Moment eigentlich schon ein Teil von mir gestorben, aber ich hatte mir ja nun in den Kopf gesetzt das mal durchzuziehen.

Letztendlich hieß es also: Verdienen kommt von Dienen (Zitat!), der Dude, wir nennen ihn Hans, will mir Tipps geben für meine Social Media Präsenzen. Er will mir nichts verkaufen. Er hätte kurzfristig Platz im Kalender. Ich, voll entschlossen, mir das jetzt mal zu geben, habe also einen Termin ausgemacht. Nur kurze Zeit später bekam ich die Termineinladung - für einen Termin mit Hannelore. Nicht Hans. Verwirrung. Aber Hans hat natürlich sofort aufgeklärt: Die Hannelore, die ist noch viel mehr Expertin in meiner Branche, darum passt das viel besser. Okay, dann also 45 Minuten mit Hannelore.

Der Termin

Der Termin mit Hannelore war geplant für 45 Minuten. Kurz vorab: Hannelore war nett, das war von der Tonalität grundsätzlich okay. Inhaltlich war es allerdings nicht das, was mir zugesagt wurde.

Was stattdessen geschah: Hannelore ist nach eigenen Aussagen Analysecoach. Ich dachte, na gut, dann hat sie ja vielleicht meine Präsenzen analysiert und gibt mir jetzt meine Tipps. Aber nein. Zunächst einmal musste ich natürlich ein bisschen von mir und meiner Selbstständigkeit erzählen und auch sagen, was denn eigentlich gerade mein größtes Thema ist. Meine Worte:

"Ich habe eine Strategie und auch einen Redaktionsplan. Mir fällt es immer mal wieder schwer, den Kern rauszuarbeiten, also auf den Punkt zu kommen und trotzdem Mehrwert zu bieten. Ich will halt keinen sinnlosen, hohlen Kram posten."

Ich dachte, okay nun dann aber bekomme ich meine Impulse. Ich bekam sie nicht. Stattdessen ging es ran an meine Ziele. Was will ich denn eigentlich? Wie viele Neukund:innen stelle ich mir denn so vor? Es gab ein bisschen Hickhack bei der Umsatz-Berechnung, weil ich Hannelore nicht verständlich machen konnte, dass eine Coachingausbildung nicht monatlich bezahlt wird, aber mir war's dann auch irgendwie egal, was sie da für Zahlen aufschreibt.

Also dachte ich, nun kommt sie aber mit den Ideen. Kam sie nicht. Als nächsten Schritt wurde ich gefragt, was denn wohl passieren würde, wenn ich mich nicht um meine Social Media Präsenzen kümmern würde. Ich sagte: "Naja, wenn wir davon ausgehen, dass das auf lange Sicht so ist, dann bekomme ich wohl auf lange Sicht keine Aufträge, wenn ich keine Aufträge bekomme, dann ist irgendwann das Firmenkonto leer, wenn das Firmenkonto leer ist, kann ich mir kein Gehalt mehr zahlen, wenn ich mir kein Gehalt zahlen kann, kann ich meine irgendwann Miete nicht mehr bezahlen undsoweiterundsofort. Das ist eine ziemlich simple logische Kette, finde ich." Hannelore hatte gut zugehört und ging dann ran an meine Emotionen, was das denn wohl bedeuten würde - immerhin müsste ich mir dann ja vermutlich einen Job in einer Festanstellung suchen. Und schon waren wir in meinen Motiven, nämlich meiner Selbstbestimmtheit. Ja, verstehen kann sie das, die Hannelore. Als nächstes, wer hätte es geahnt (ich hab's), wurde dann ein Perspektivwechsel vorgenommen: Ich sollte mir nämlich ausmalen, wie mein Leben wäre, wenn ich die zuvor genannten Ziele erreicht habe und meine Antwort lautete in Kurzform: Ich hätte eine sehr übergreifende, langanhaltende Entspannung. Spannend, fand Hannelore das.

Ich hatte noch ein bisschen Hoffnung, ob nun endlich meine langersehnten Impulse kommen würden. Sie kamen nicht. Ich durfte stattdessen noch sagen, was mich mehr antreibt: Das negative oder positive Bild. Und dann, dann musste ich auf einer Skala 0 bis 10 benennen, wie viel Priorität das Thema für mich gerade hat. Ich hatte ja bis jetzt noch gar nicht verstanden, was denn eigentlich mein Thema sein soll und habe mich entsprechend für eine solide 8 entschieden. Die 8 war Hannelore nicht genug. Denn, sie hatte noch ein Schmankerl im Ärmel: Sie glaubt nämlich voll dran, dass ich meine Ziele erreichen kann. Da sei ja so viel zu holen, bei mir. Sie würde mir supergerne ein kostenloses Folgegespräch mit einem ihrer Headcoaches anbieten. Das gehe aber nur, wenn ich mir sicher sei, das Thema (welches?) auch wirklich anzugehen, sehr sicher müsse ich mir sein. Weil ihre Kalender seien ja alle so voll (Hallo Verknappung!). Also habe ich meine 8 irgendwie sinnvoll begründet: "Ich handle aus keiner Not heraus, aber jetzt habe ich gerade halt Zeit wegen Sommerloch". Meine Begründung hat natürlich gereicht - jede Begründung hätte gereicht, denn für mich war eindeutig spürbar: Es geht jetzt nur darum mir dieses Folgegespräch so richtig schmackhaft zu machen. Ganz nebenbei wurde dann auch noch die Frage eingestreut, ob ich den dazu in der Lage und bereit wäre 8.000 bis 19.000,00 EUR in mein Business zu investieren. Das müssten sie wissen, weil aus Gründen. Es war einfach so sehr klar, dass mir das Folgegespräch nicht verkauft werden soll, sondern das Ziel war, mich in eine Emotion zu bringen, in der ich es unbedingt will und darum bettle.

Der Termin war also geschafft. Ich auch.

Was danach geschah

Wenige Minuten nach dem Termin fand ich mich in einer Whatsapp-Gruppe mit Hannelore und dem Headcoach. Ich erhielt eine Willkommens-Sprachnachricht von Hannelore. Dann noch eine vom Headcoach in der er sich vorstellte. Dann einen Link zu einem Video, in welchem mir erzählt wurde, was ich für das Folgegespräch unbedingt an Zahlen parat haben müsse. Dazu noch ein Dokument, in welches ich meine Zahlen eintragen sollte. Achja ok. Es ging also immer noch nicht um die versprochenen Impulse - also ja, war mir klar. Weil die hätte man mir auch einfach per LinkedIn Nachricht senden können. Das aber wirklich mal live genauso zu erleben, war für mich ziemlich aufregend.

Nungut. Ich lass das bisherige Experiment sacken und dachte erst tatsächlich noch, ich ziehe den Kram jetzt weiter durch. Und dann habe ich festgestellt: Nee. Es reicht. Ich habe da jetzt einmal reingeschnuppert und muss mir zwei Stunden sinnloses Folgegespräch wirklich nicht geben. Ich habe also alles abgesagt. In einem ersten Schritt habe ich dem LinkedIn Kontakt eine Nachricht gesendet mit sehr klarem Feedback, wieso es nun zu einer Absage kommt:

  • Ich habe von Anfang an gesagt, dass ich nicht daran interessiert bin, eure Dienstleistung einzukaufen.
  • Ich habe von dir angeboten bekommen, Impulse zu erhalten.
  • Statt diesen Impulsen bekam ich ein Gespräch mit einer Kollegin.
  • In dem Gespräch ging es nicht um meine tatsächlichen Baustellen, sondern spürbar um euren Prozess und euren Funnel.
  • Konkrete Impulse sehen für mich eindeutig anders aus.
  • Ich habe eine Strategie und befinde mich gerade in der Umsetzung. Daran möchte ich festhalten.
  • Nach dem ich mir nun Video & Checkliste angesehen habe, sehe ich, dass ich mit dem Folgegespräch lediglich einen weiteren Schritt in eurem Funnel mache. Diesen Schritt möchte ich nicht gehen (siehe oben).
  • Das Vertriebsgebahren hier in den Nachrichten war mir von Anfang an unangenehm.
  • Eure Vertriebsstrategie ist in meinem Netzwerk aktuell ein großes Thema und das nicht auf positive Art und Weise.
  • Wir passen als Unternehmen mit unserer Wertestruktur eindeutig nicht zusammen.

Und danach habe ich Hannelore und dem Headcoach eine Whatsapp geschrieben, dass ich doch nicht an einer Zusammenarbeit interessiert bin und auf die Nachricht an den LinkedIn-Kontakt verwiesen. Den Termin habe ich abgesagt. Bisher habe ich meine Ruhe, aber wer weiß, vielleicht wird gerade schon eine Hetzkampagne gegen mich gestartet.

Die Art und Weise

Insbesondere in dem Gespräch ist mir noch einmal klar geworden, wie sehr Coaching auch manipulieren kann. Die Fragen und Übungen, die dort mit mir gemacht wurden, kenne ich alle aus dem Coachingbereich. In ihrer Kombination mit der zugewandten Ansprache und dem Hintergedanken die eigenen Ziele durchzudrücken, anstatt mich wirklich offen nachdenken zu lassen, sind sie äußerst manipulativ und können im Ernstfall dafür sorgen, dass Leute sich irgendeinen Bullshit aufschwatzen lassen, weil sie sich unter Druck gesetzt fühlen und/oder ihnen künstlich ein absoluter Need eingeredet wird. Für mich persönlich war es interessant, dass einmal so live zu erleben und nicht nur vom Hörensagen zu wissen, dass es genau solche Vertriebsmaschen da draußen gibt. Mir tut's schon fast für den Begriff Funnel leid, aber wenn ich Funnel höre, denke ich an genau solche ekelhaften Maschen, die am Ende nicht den Menschen und den Erfolg desjenigen im Blick haben, sondern eben den eigenen kapitalistischen Wohlstand.